Raum für neue Erfahrungen – ein Gemeinsames Seminar in Nes Ammim

„…Durch die verschiedenen Bilder des Landes und des Konfliktes, wurden auch unterschiedliche Fragen gestellt und somit neue Perspektiven offenbart…“ So endet Koljas Bericht über ein dreitägiges gemeinsames Seminar von Freiwilligen aus Palästina und aus Nes Ammim. Seit zwei Jahren bemühe ich mich, dieses Unternehmen zustande zu bringen. Gemeinsam mit Daniel Baumann, der für ein Jahr an der Erlöserkirche in Jerusalem als Pastor arbeitet und dort für die Arbeit mit den Freiwilligen zuständig ist, und mit Unterstützung von Angela Grünert in Talitha Kumi ist das nun endlich gelungen. So wie wir, die wir in Israel leben und arbeiten, durch Erfahrungen in Ostjerusalem und den besetzten Gebieten zu neuen Perspektiven gelangen, können Freiwillige, die dort arbeiten, in Nes Ammim und dem Norden Israels neue Perspektiven gewinnen. Damit erweist sich Nes Ammim einmal mehr als Ort der Begegnung, der liebgewordene Bilder sprengt und Raum schafft für neue Erfahrungen. Die Bilanz des dreitägigen Seminars ruft nach Wiederholung und einer ständigen Einrichtung. Statt selber zu berichten, lasse ich Kolja Roesener aus Deutschland sprechen, der seit dem letzten Sommer für ein Jahr in Talitha Kumi, der palästinensischen Schule in Beit Jala, arbeitet:

…Durch Austausch über Begegnungen, Gespräche und Eindrücke haben wir Volontäre schnell gemerkt, dass der politische Konflikt in Israel und Palästina sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Die eigene Wahrnehmung wird durch das Arbeits- und Lebensumfeld sehr geprägt… Ein Highlight war das Gespräch mit einem ehemaligen Offizier der israelischen Armee (IDF). Unter dem Titel “Was ich einen Patrioten immer schon fragen wollte” hatte man die Möglichkeit, Fragen zu stellen und über Themen zu sprechen, welche einem sehr am Herzen liegen, die man sich aber nur selten traut anzusprechen…

Das “Center for Humanistic Education” (in Nes Ammims Nachbarschaft) bietet Juden und Arabern zu gleichen Teilen einen Ort zum gemeinsamen- und voneinander Lernen. Hier hat besonders die Diskussion über die Frage “Was verspricht sich ein Volontär von seinem Einsatz?“…Haben wir Volontäre, die von “Außen” kommen, das Wissen und die Befugnis uns einzumischen? Können wir überhaupt ansatzweise verstehen wie die Menschen hier im Land denken, was sie bewegt und motiviert so zu handeln, wie sie es tun?“ …Der Austausch über solche Themen hat uns alle sehr beschäftigt und aufgewühlt, jedoch wurde das stets als positiv wahrgenommen…

Ein ebenfalls sehr spannender Programmpunkt waren die Besuche in einem arabischen Dorf und einem Kibbuz. Man hat Einsicht in das tägliche Leben der Bewohner bekommen. …Ein weiterer ergreifender Moment war der Besuch eines zerstörten, arabischen Dorfes und dessen Friedhof. Auch wenn alle Häuser des Dorfes abgerissen wurden, haben die Milizen die Moschee stehen lassen…

Im Leo Baeck Education Center (in Haifa) wird das Projekt „Friends for ever“ angeboten. Fünf jüdische und fünf arabische Schüler fliegen für 12 Tage in die USA und leben, lernen und reden gemeinsam. Auf neutralem Boden lernen sie die Kultur und Religion ihres zugeteilten Partners kennen. Es wird versucht, Verständnis für das Gegenüber zu schaffen. Warum macht er das? Was steckt hinter den Ritualen? Das Gespräch mit vier jüdischen Schülern, welche an dem Programm teilgenommen haben, war sehr ergreifend. Die Schüler haben erstmalig in ihrem Leben positive oder überhaupt Erfahrung mit Arabern gesammelt. Von klein auf wurde ihnen durch Familie, Freunde und Medien vermittelt, dass die Araber böswillig sind und gemieden werden sollten. Ein Kontakt konnte gar nicht stattfinden. Alles, was die beiden Parteien voneinander wussten, waren die oft falschen Vorurteile… Durch Projekte wie das Leo Baeck Education Center haben Schüler die Möglichkeit, in jungen Jahren andere Erfahrungen zu machen als ihre Eltern. Diese Generation kann es schaffen, alte Fehden und Frustration aus der Geschichte des Landes zu überwinden…

Das Seminar wurde mit großer Begeisterung von allen Teilnehmern angenommen. Die Gespräche waren tiefschürfend und haben Stoff zum Nachdenken gegeben. Besonders die Kombination der Volontäre aus den verschiedenen Teilen Palästinas und Israels hat das Seminar bereichert. Durch die verschiedenen Bilder des Landes und des Konfliktes, wurden auch unterschiedliche Fragen gestellt und somit neue Perspektiven offenbart…

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